Acht Jahreszeiten
In der samischen Kultur haben die Jahreszeiten und das Klima schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Das samische Rentierzuchtjahr kann ausgehend von den acht Jahreszeiten beschrieben werden, die es in der samischen Sprache gibt.
Gïjre-daelvie – Vorfrühling
In den Monaten März und April werden die Rentiere vom Winterweidegebiet in die tiefer gelegenen Gebirgsregionen getrieben. Die Rentierkühe ziehen willig in das ihnen bekannte Abkalbeland. Die Rene ernähren sich hauptsächlich von Flechten, besonders von den Bartflechten an den Bäumen, denn der Boden ist noch mit dem Harsch des Vorfrühlings überzogen.
Gïjre – Frühling
Bevor die Kälber zur Welt kommen, werden die im vergangenen Jahr geborenen Jungtiere und die männlichen Tiere aus der Herde verstoßen. Die Geburten finden jedes Jahr im gleichen Gebiet statt. Die Kühe wählen Südhänge mit schneefreien Stellen, an denen die ersten Pflanzen des Frühjahrs sprießen. Das Futter besteht aus Flechten, Gräsern, Kräutern und Laub. Das Futterangebot ist noch schlecht, und die Rentierkühe sind besonders sensibel. Wenn eine trächtige Rentierkuh gestört wird, besteht die Gefahr einer Fehlgeburt.
Gïjre-giesie – Frühsommer
Im Juni sind alle Kälber auf der Welt. Rentierkühe und -kälber ziehen in Birkenwälder und zu Mooren und Bächen, wo sich relativ früh Pflanzen und Triebe zeigen. Hier können sie in aller Ruhe und noch von Mücken und anderen Insekten unbehelligt weiden.
Für die Rentierzüchter ist der Frühsommer eine erholsame Phase, in der sie Instandhaltungsarbeiten an Zäunen und Gebäuden vornehmen können. Jetzt ist auch die beste Zeit zum Angeln.
Giesie – Sommer
Wenn die Sommerwärme Einzug hält, wandern die Rentiere in höhere Lagen, wo es kühler ist und wo weniger Insekten lauern. Im Juni werden die Rene markiert. Um die über eine große Fläche verteilten Rentiere zusammenzutreiben, nutzen die Samen auch Helikopter und Motorräder.
Auf der eingefriedeten Rentierweide folgt jedes Kalb seiner Mutter, und es ist leicht zu sehen, welchem Rentierzüchter welches Kalb gehört. Die Kälber werden eingefangen und gleich gekennzeichnet wie die jeweilige Mutter. Jeder Züchter hat eine unverwechselbare und registrierte Markierung für seine Rentiere.
Der Sommer ist eine arbeitsintensive und hektische Zeit für die Rentierzüchter, die jetzt oft rund um die Uhr auf den Beinen sind. Markiert wird häufig nachts, wenn die Temperaturen angenehmer sind.
Tjaktje-giesie – Spätsommer
Ab Ende Juli zerstreut sich die Herde. Die Rentiere wandern wieder zu den Birkenwäldern und Mooren hinab. Jetzt müssen sie vor dem langen Winter Muskeln aufbauen und Fett ansetzen. Noch ist das Angebot an Laub, Gräser und Kräutern groß, und die Tiere können sich auf Futter mit besonders gutem Nährstoffgehalt konzentrieren. Pilze sind reich an Proteinen und Phosphor und werden von den Rentieren mit großem Genuss gefressen.
Mit dem Ende der sommerlichen Weidesaison in der zweiten Augusthälfte und vor Brunftbeginn werden die männlichen Tiere zusammengetrieben, um geschlachtet zu werden. Sie sind jetzt groß und gut genährt.
Tjaktje – Herbst
Mit dem Frost wird das Angebot an Kräutern, Gräsern und Laub schlechter. Die Rentiere müssen mehr Flechten fressen und graben auch unter der Erde liegende Teile von Fieberklee und anderen Kräutern aus.
Die herbstliche Schlacht wird vor der Brunftzeit beendet. Die Brunft beginnt in der zweiten Septemberhälfte und dauert zwei bis drei Wochen. In dieser Zeit werden die Rentiere sich selbst überlassen. Die Rentierzüchter können dann fischen und jagen und Dinge zu Ende bringen, die zu erledigen sind, bevor die Landschaft schneebedeckt ist.
Tjaktje-daelvie – Spätherbst
Jetzt liegt für gewöhnlich Schnee. Die Rentiere suchen Stellen, auf denen noch etwas Grünes aus dem Weiß herausschaut. Wenn viel Schnee liegt, müssen sie sich vor allem von Flechten ernähren.
Die Rentierzüchter treiben die Tiere zusammen und unterteilen sie in Gruppen, die auf das Winterweideland gelassen werden. Es wird auch noch einmal geschlachtet – vor allem Kälber.
Daelvie – Winter
Im Winter ernähren sich die Rentiere in den bewaldeten Bereichen von Flechten und Beerenkraut. Das Weideland kann durch Kahlschläge und Straßen zerteilt sein. Weil die Verfügbarkeit von Nahrung von der Schneemenge abhängt, müssen die Rentierzüchter die Tiere von einer Weidefläche zur anderen treiben. Die Rentiere halten sich gern bei den vielen kalten Quellen des Gränslandet auf, wo das austretende Grundwasser den Schnee schmilzt.
Wenn den Rentieren in der Zeit mit viel Schnee nicht genügend Bartflechten zur Verfügung stehen, müssen die Züchter zufüttern.
Die Rentierzüchter müssen die Herde unter Umständen auch regelmäßig umrunden, um die Spuren im Schnee zu untersuchen. So können sie sehen, ob sich Rentiere von der Herde entfernt oder ob sich Beutegreifer der Herde genähert haben.